Werkbeiträge 2025

Die Stadt St.Gallen vergibt im Jahr 2025 acht Werkbeiträge in der Höhe von je CHF 10‘000. Ziel ist es, St.Galler Kulturschaffenden die Entwicklung und Realisierung von interessanten Projekten zu ermöglichen. Insgesamt wurden 44 Bewerbungen für die Auswahl berücksichtigt. 25 stammten aus den Bereichen «Bildende und Angewandte Kunst» sowie «Interdisziplinär», acht aus dem Bereich «Musik», fünf aus dem Bereich «Geschichte und Gedächtnis», drei aus dem Bereich «Theater» und drei aus dem Bereich «Literatur». Vier dieser Eingaben richteten sich an das Angebot des Auslandaufenthalts.
Richard Butz (Geschichte und Gedächtnis)
Der Journalist, Kulturvermittler und Buchautor Richard Butz organisiert seit Jahrzehnten Konzerte, Lesungen und Ausstellungen in der Stadt St.Gallen. Ein Schwerpunkt ist dabei der Jazz. An diesem Engagement knüpft Richard Butz’ Werkbeitragsprojekt an. Als Zeitzeuge, aktiver Kulturvermittler und Jazzkritiker will Butz eine detaillierte, lesenswerte Dokumentation zum Jazz in der Stadt St.Gallen erarbeiten. Er greift dabei auf viele eigene Erfahrungen und angesammeltes Wissen zurück. Zudem plant er Interviews mit Zeitzeugen und Zeitzeuginnen, die selbst Jazz gespielt, veranstaltet oder journalistisch reflektiert haben. Er wird persönliche Archive auswerten sowie Presseberichte, Kritiken, Programme und Fotografien sichten und eine möglichst umfassende Diskografie erarbeiten. Richard Butz hat 1989 den Anerkennungspreis der Stadt St.Gallen erhalten, 2011 einen Anerkennungspreis der St.Gallischen Kulturstiftung und 2014 einen Werkbeitrag der Stadt St.Gallen. Der Werkbeitrag unterstützt Butz’ Publikationsvorhaben «Jazz in St.Gallen von 1930 bis heute» und damit die Sicherung seines grossen Wissens über die St.Galler Jazzgeschichte und -szene.
Maj Lisa Dörig (Bildende Kunst)
Maj Lisa Dörig arbeitet seit ihrem Studium an der Royal Drawing School, London, im vergangenen Jahr als freischaffende Illustratorin und Künstlerin in St. Gallen, Zürich und London. Sie beschäftigt sich mit der Verbindung von Zeichnung und Text. Erzählerische und poetische Elemente und deren Rhythmus lässt sie direkt in ihre Zeichnungen einfliessen. Hinzu kommen persönliche und kollektive Erinnerungen, gesammelte Text- und Bildfragmente. Der Akt des Zeichnens wird so zu einem Dialog zwischen Hand und Hirn. Aus ihrer kontinuierlichen Praxis entwickelte Dörig das Projekt «Die Notwendigkeit, in alle Richtungen zu wachsen». Durch das stete Hinzufügen und gelegentliche Entfernen von Elementen im Bild erhält die Zeichnung eine organische, vielschichtige Struktur und die Möglichkeit, in alle Richtungen zu wachsen. Der Werkbeitrag unterstützt die virtuose zeichnerische Arbeit der jungen Künstlerin.
Raoul Doré (Bildende Kunst)
Raoul Doré arbeitet interdisziplinär in den Bereichen Video-Animation, Installation, Performance und Zeichnung. Er kollaboriert mit Künstlerinnen und Künstlern in unterschiedlichen Theater-, Performance- und Musik-Projekten. 2023 erhielt er den Förderpreis der Stadt St.Gallen. Sein Projekt «Die zeichnende Suchmaschine» vernetzt Zeiten, Orte und Szenen. Doré plant, verschiedene Archive zu besuchen und dort zeichnerisch zu experimentieren: das «K-Set» in Zürich, das «Museum für Fotokopie» in Mülheim a.d.R. und das «Archiv der Jugendkulturen» in Berlin. Dort werden fotokopierte und siebgedruckte Zines, Plakate und Flyer gesammelt und aufbewahrt. Doré will das Fotokopierte erneut zeichnerisch reflektieren und seine Zeichnungen in die Archive einschleusen. Zudem soll in einem zweiten Schritt ein Trickfilm entstehen. Der Werkbeitrag unterstützt seine gesellschaftlich relevante künstlerische Arbeit und ihre hohe Qualität.
Bettina Dyttrich (Literatur)
Bettina Dyttrich ist Journalistin und Sachbuchautorin mit den Schwerpunkten Ökologie, Umwelt- und Agrarpolitik sowie Gesellschaftsfragen. 2017 erhielt sie den Medienpreis des Schweizer Bauernverbandes. Seit 2020 tritt sie zusätzlich als Literatin und bei Lesungen auf, sie hat erste Kurzgeschichten in Zeitschriften publiziert. «Vulkan» ist Dyttrichs erstes Romanprojekt. Das ambitionierte Vorhaben ist eine Fantasy-Geschichte mit Virtual Reality - Elementen. Die Hauptfigur ist eine queere Person, Schauplätze sind das Rheintal und der Alpstein und hier kommt das Stilmittel des Nature Writing dazu. Dyttrich bearbeitet aktuelle Themen und knüpft an zeitgenössische Diskurse in der Literatur an. Ihre literarische Sprache ist farbig, assoziationsreich und auf der Höhe der Zeit. Die Textproben weisen einen hohen literarischen Gestaltungswillen auf. Mit dem Werkbeitrag wird die Neuorientierung einer Schreibenden mit einer langen publizistischen Vorgeschichte unterstützt.
Nicolaj Ésteban (Angewandte Kunst)
Nicolaj Ésteban arbeitet als selbständiger Grafik- und Motion-Designer und Musiker. Das Thema seines künstlerischen Vorhabens sind eine überwundene Depression und der Prozess der inneren Heilung. «Smile Baby» wird in einer Geschichte verhandelt: Die Hauptfigur Paul, eine «depressive Sonne», zieht sich zurück und verkrustet, die Solarsysteme funktionieren nicht mehr, notwendig wird eine Exkursion ins Innere der Sonne, bis diese neu aus der Krise hervorgehen kann. Diese Geschichte wird nicht literarisch erzählt, sondern in Form einer immersiven Inszenierung (immersive experience). Dafür plant Ésteban, seine Arbeit im audiovisuellen Bereich mit modernen Technologien zu vertiefen und die Möglichkeiten der Szenografie und Interaktivität zu erforschen. Ziel ist es, eine Gesamtumgebung zu schaffen, in der das Publikum die Geschichte erleben kann. Die Kommission für Kulturförderung unterstützt das ambitionierte experimentelle und innovative Vorhaben.
Charles Uzor (Musik)
Charles Uzors Schaffen umfasst Opern, Tanz-, Orchester- und Chorwerke, sein Hauptinteresse liegt jedoch auf Werken für kleine Ensembles und Gesang. Sein Projekt «hay que caminar… für Flauto dolce und Gitarre» ist zwischen den Polen Ost und West angesiedelt. Die Textgrundlage sind Gedichte: Ein Wanderer auf dem Pilgerweg in Toledo ritzte den ersten Vers aus einem Gedicht von Antonio Machados (1875–1939) in die Klostermauer. Auf eigener Pilgerreise erkannte der Komponist Luigi Nono (1924–1990) die Zeilen «hay que caminar» und machte sie zur Überschrift eines Werkzyklus. Uzor beschreibt diese Quellen detailliert und leitet daraus sein Kompositionsprojekt ab. Ost und West stehen sich darin gegenüber – nicht feindlich, sondern neugierig, in Gastfreundschaft, disputierend. Die Gitarre als westliches Harmonieinstrument wird der Flöte als östlichem Melodieinstrument gegenübergestellt. Der Werkbeitrag unterstützt das sehr gut begründete und vielversprechende Vorhaben.
Andrea Vogel (Bildende Kunst)
Andrea Vogels gestalterische und künstlerische Arbeit wurde bereits mehrfach ausgezeichnet, unter anderem 2003 mit einem Werkbeitrag des Kantons St.Gallen, 2005 mit dem Eidgenössischen Förderpreis für Design, 2009 mit einem Werkbeitrag der Stadt St.Gallen und 2015 mit einem Förderpreis der Stadt St.Gallen. Ihr aktuelles Vorhaben «Die Lumpensammlerin» setzt ihr Projekt während eines Atelieraufenthaltes in Paris fort: Die Künstlerin hat dort Textilien auf der Strasse fotografiert und gesammelt, die offensichtlich liegen gelassen wurden. Ausgehend von diesen Funden hat sie den Umgang mit Alttextilien untersucht. Bei ihren Recherchen stiess sie auf den Altkleiderumschlagplatz in Accra, Ghana, und möchte dort eine tagebuchartige Lumpensammlung anlegen. Sie wird digital und analog festgehalten und aus persönlichen Erfahrungsberichten, Fotografie und Video bestehen. Der Werkbeitrag würdigt das engagierte Projekt und die Qualität der künstlerischen Arbeit von Andrea Vogel. Es handelt sich um ein Werkbeitragsgesuch mit einem zusätzlichen Kostenanteil an einen Auslandsaufenthalt.
Lena Windisch (Angewandte Kunst)
Lena Windisch interessiert sich für experimentelle, dreidimensionale Typografie und hat sich in den vergangenen Jahren beruflich auf den Bereich Signaletik spezialisiert. Ihre Arbeit wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Certificate of Typographic Excellence, New York, dem Award des Art Directors Club und mit dem Joseph Binder Award in Gold. Mit «Under Pressure» möchte sie unkonventionelle und neue Methoden dreidimensionaler Typografie erforschen. Sie will neuartige Methoden des Prägedrucks erproben und dreidimensionale Schriftzüge von Hand herstellen. Sie geht dabei aus von der Trendschriftart «Chrome Type». Windisch will diese Schrift handwerklich herstellen: Formen oder Linien entstehen durch das Aufbringen und Modellieren von Schweissdraht auf eine metallene Druckplatte, welche als Vorlage dient, Motive oder Schrift in Blech zu prägen. Windisch nutzt Imperfektion, Spontaneität und Ergebnisoffenheit des handwerklichen Prozesses, um eine ganz eigene Formensprache zu erzeugen. Der Werkbeitrag unterstützt ihr stimmiges Vorhaben, das mit spürbarer Freude an der Umsetzung einhergeht.